Wir überquerten die Grenze zu Bosnien & Herzegowina von Süden aus. Ein neues Land lag vor uns und wir hatten keine Vorstellung mitgebracht. An der Grenze standen wir eine Stunde in der Mittagshitze auf einer staubigen Straße in einer Schlange von Autos, die sich nur langsam hangaufwärts bewegte. Am Rande der Straße befestigten Straßenarbeiter den Fels und Staub wehte durch mein Fenster und auf Livias Seite wieder hinaus und erhob sich von dort jäh in die Höhe. Der Wind trug den Staub bis hin über das Meer, das in der Ferne tiefblau unter uns ruhte. Zwischen uns und der menschenleeren Landstraße, die sich weit oben in den Hügeln wand und den Blick auf die Berge Montenegros freigab, lag nur noch der Grenzübergang. Im Handschuhfach fanden wir die gelbe Versicherungskarte unter Murren der Grenzbeamten, die sich ein Geschäft versprochen hatten. Wir hatten sie auf der letzten Reise zwei Jahre zuvor besorgt und mit keinem Gedanken mehr daran gedacht, dass wir einen Versicherungsschein für das Auto brauchen würden. Dann glitten wir mit einem neuen Stempel im Reisepass über den makellosen, hellgrauen Asphalt.
Anstelle der fehlenden Vorstellung öffnet sich bekanntlich ein Raum für das Unerwartete.
Im Nirgendwo fanden wir ein Ferienlager und verbrachten den Abend mit Pedja, der in den Siebzigern mit der deutschen Rockband Jane durch Europa getourt war und später in Jugoslawien als Popsänger berühmt geworden war. Während am Nebentisch alte Männer Schach spielten, erzählte er uns aus einem Leben, das man nicht erfinden konnte. Am nächsten Morgen spielte ich mit ihm das legendäre Wimbledon-Finale von 2019 zwischen Djokovic und Federer nach, auf einem Basketballplatz aus Beton, das Netz improvisiert aus Holzscheiten und einem Seil, die Abmessungen des Feldes waren abgetragen, aber in der Länge einen Meter zu kurz.