Thug Life in Aberfeldy

Aberfeldy, Schottland, 56° 37′ N3° 52′ W

Am Nachmittag hatten wir entschieden, nach Süden zu fahren, der Sonne entgegen. Nach sechs Wochen in England und Schottland wollten wir keinen Regen mehr sehen und keine Wolken. Die Kälte hatte sich in unseren Knochen eingenistet, spätestens nachdem wir betrunken aus der Applecross Inn gefallen waren und zwei Tage lang für die Nacht bezahlten. In Glenmore, am Loch Morlich, hatten wir uns den Armeen von Culicoides impunctatus ergeben. Schon im Norden hatten wir das Auto mitten in einer Brutstätte der Higland Midges geparkt, die wir seitdem nie mehr ganz aus dem Van vertreiben konnten. Unsere Knie schmerzten, nachdem wir im Cairngorms Nationalpark vom Weg abgekommen waren und beinahe eintausend Höhenmeter durch absolute Wildnis abgestiegen waren. Nicht einmal Wildpfade hatte es mehr gegeben, da Heidekraut stand uns bis zur Hüfte, das Wasser knöchelhoch. Zwei Auerhähne hatten uns zu Tode erschreckt, als sie selbst erschrocken keine drei Meter von uns in atemberaubenden Tempo aufflogen. Die weite Landschaft Schottlands war so gewaltig gewesen, dass wir kaum noch etwas aufnehmen konnten von der überwältigenden Schönheit.

Also fuhren wir nach Süden, wehmütig und froh, bis wir auf die Idee kamen, doch noch einen Umweg zu fahren, in Richtung der Trossachs, am Lake Tay vorbei und durch Kenmore. Wir bogen von der Hauptverkehrsader ab, die von Inverness nach Süden in Richtung Edinburgh und Glasgow führt, um uns auf einer endlosen, engen, sich windenden Straße zu verlieren, wie es so viele gibt, im Vereinigten Königreich. Die Tanknadel zitterte gefährlich im roten Bereich, wir hatten zwei Tankstellen ausgelassen, weil uns der Diesel zu teuer war. Nach einer Ewigkeit, irgendwo im Nirgendwo, hielten wir in einem Hotel an der Straße und aßen Braten. Die einzigen beiden Gäste unterhielten sich mit dem Eigentümer, einem ausgewanderten Australier, über Sex in Zeiten vor HIV, über Woodstock, Led Zeppelin und Rod Steward. Als wir nach der Tankstelle fragten und sie gerade einmal fünf Kilometer weiter zu finden sein sollte, und bis Mitternacht geöffnet, konnten wir es kaum glauben, wir waren zwei Stunden durch die Berge gefahren und hatten nur vereinzelt Häuser gesehen. Also fuhren wir weiter, und wie aus dem Nichts tauchte eine kolossale Brücke auf, die uns über den Fluss führte. Auf der anderen Seite lag Aberfeldy, eine Stadt mit Supermärkten, der Tankstelle, einem Kino und Restaurants. Als der Van auf die Tankstelle rollte, atmeten wir auf. Es waren noch zwei Liter Diesel im Tank gewesen.

Inzwischen war es dunkel geworden, und wir hatten keine Ahnung, wo wir übernachten sollten. Der Campingplatz, den es tatsächlich gab, war bereits geschlossen. In einem Forum fanden wir den Hinweis, dass es einen Stadtwald gäbe, und dort einen Parkplatz. Wir fuhren hin, und an einer Ampel mitten in der Stadt ging es nach rechts ab, eine schmale Straße den Berg hinauf, die sich tatsächlich zu einem größeren Parkplatz öffnete mit Platz für zwanzig Autos, eingefasst von hohen Bäumen. Gut, dachten wir, parkten den Bus, putzten noch die Zähne und warfen die Schlafsäcke über uns. Und dann erwachte der Parkplatz zum Leben. Schäbige Autos rollten langsam den Berg herauf und parkten ein Stück weiter oberhalb von uns unter einem der großen Bäume. Musik spielte, einzelne Jugendliche steigen aus und tauschten Drogen gegen Geld und kurze Gesprächsfetzen. Einige der Autos blieben stehen, und die Insassen ließen dichte Rauchwolken ins Licht aufsteigen. Die Buchen ließen ihre Bucheckern auf unser Dach fallen, und es klang, als würden Gestalten um den Bus schleichen und sie zertreten. Es begann zu regnen, und zum Trommeln der Bucheckern gesellten sich die Regentropfen. Die Jugendlichen ließen uns in Ruhe, aber wir hassten es trotzdem. Wenig später fuhren wir ab, stellten den Van auf einem Parkplatz mitten in der Stadt ab, den wir zuvor gesehen hatten, und versuchten, dort zu schlafen. Die Straßenlaternen schienen hell in den Wagen, die Luft war feucht, und als ich nachts zur Toilette musste, lief ich mehr als 300 Meter, bis ich einen Platz in der Dunkelheit gefunden hatte, wo mich niemand sehen würde, am Fluß, der durch Aberfeldy fließt.

Am nächsten Morgen war alles vergessen: Weil die Nacht furchtbar gewesen war, fuhren wir um 6 Uhr los, und plötzlich lag da Lake Tay vor uns. Die Sonne vertrieb den Nebel und spannte einen Regenbogen über das Wasser, das still da lag. Nicht einmal die Vögel waren schon wach.

 

Overnight Parking mit der Jugend in Aberfeldy

  • geht gut auf dem Upper Car Park der Birks of Aberfeldy an der Crieff Road / A826, ansonsten auch gut:
  • Einen Kinofilm im Birch Cinema ansehen
  • Zum Sonnenaufgang von Kenmore aus über den Lake Tay sehen
  • zu jeder Zeit über die Wade’s Bridge fahren, auch mehr als einmal

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