Do you want to go to the seaside?

Brighton, East Sussex, an der Küste des Ärmelkanals, 50° 49′ N , 0° 8′ W.

Der Kalender sagt 2017, aber mein Inneres springt bei der Anfahrt merklich ein paar Jahre zurück in die Vergangenheit. Brighton, eine nie gesehene Stadt und doch ist da etwas, das sie keine Unbekannte sein lässt.  Hier haben sich The Kooks an der Musikhochschule, dem „Brighton Institute of Modern Music“, kennengelernt. Mit dem Album „Inside In/Inside Out“ entsteht 2005 meine Liebe zum Indie. „Do you want to go to the seaside?“, dröhnte es damals durch meine Ohrmuscheln und ich wäre dem Ruf  zu gerne gefolgt. Es war die Zeit, als mein Heimort bereits zu klein geworden war, aber mich noch festhielt. Als ein Ausflug nach Paris, nach London, meine Sehnsucht nach einem größeren Leben nur noch wachsen ließ und zu all diesen Momenten sang eine Band aus Südengland ihre Lieder, die auch nach mehr klangen. Etwas wollen und es nicht haben können. Noch nicht haben können. Die Verheißung, sie ist selten so groß wie in Jugendtagen, wenn die Welt einem Sehnsuchtsdinge zu verwehren scheint und die wir dann, wenn es so weit ist, gierig einsaugen.

Kurz: in meiner Vorstellung ist Brighton ein Ort, den ich mögen muss. In der Realität ist es genau so, obwohl wir zunächst eine Flaute erleben, als der „Caravan und Motorhome Club“, der den schönsten Campingplatz der Stadt in zentraler Lage führt, uns abweist, weil unser Van die Kriterien eines  mobilen Heimes nicht erfüllt. Wir enden ein paar Kilometer außerhalb der Stadt auf der „Landdean Farm“.  Oft sind es Bauernhöfe, die Weideland in Campingplätze umgewandelt haben. Eine Lektion, die wir zu diesem Zeitpunkt bereits gelernt haben: unsere Art des Reisens bedeutet Kompromisse, auch wenn sie erst einmal die große Freiheit zu versprechen scheint. Widersprüche allerdings sind nicht immer unvereinbare Gegenpole, manchmal leben sie auch als Funke in uns selbst und der Welt, die wir durchlaufen.

Wir nehmen den Bus in die Stadt und ich bin versöhnt. Ich fahre in England gerne Bus, mag das Schaukeln, den Blick auf die Straßen vom oberen Stock aus. Angekommen im Zentrum dauert es für mich nicht lange bis der Funke überspringt und ich mir – die Füße im Meer, die pulsierende Stadt im Rücken – denke: „Hier könntest Du leben.“

Ich will Brighton sehen und spüren, unbedingt. Ich sauge Zentimeter für Zentimeter ein und verliebe mich. Der Himmel ist blau, ich kann das Meer sehen, während wir an der Promenade zum Pier spazieren. Das Riesenrad dreht sich in den Himmel hinein, die Achterbahn produziert aufgeregte Schreie. Wir trinken auf der Bond St. starken Espresso und gehen vorbei an kleinen Geschäften, Imbissen, Plattenläden und Vintage Stores. Die Auslagen ziehen mich an, aber noch mehr liebe ich die Palmen vor dem Royal Pavillon, der für auch in Indien nicht aus dem Bild fallen würde (eine Einschätzung, obwohl keiner von uns Indien bisher mit eignen Augen gesehen hat), die Stimmung einer Stadt mit Meerzugang und ihre Menschen.

Wir finden für den Abend ein Konzert und bezahlen vier Pfund, um vier Grunge-Bands zu hören. Es ist nicht voll, aber voller Energie. Ich stelle mir vor, ich könnte jeden Abend zurückkommen, durch die Straßen gehen, hinunter zu Meer. Alles glänzt und einmal mehr spüre ich, dass Berlin vielleicht nicht die letzte Station für mich gewesen sein muss.

 

Do you want to go to the seaside?
I’m not trying to say that everybody wants to go
I fell in love at the seaside
She handled her charm with time and sleight of hand.  

(The Kooks, „Do you want to go to the seaside“)

Brighton // To Dos

  • Abendessen bei Foodilic: Buffet mit passender Auswahl an Salaten, frischem Brot und variierenden warmen Gerichten (auch vegetarisch). 7 Pfund pro Person, satt werden garantiert. Hat allerdings nur bis 20.30 Uhr geöffnet.
  • Espressopause bei Bond St. Coffee: Karte mit verschiedenen Röstungen, hilfsbereite Baristas und ausreichend Plätze, so dass auch Verweilen möglich ist.
  • Schlendern über The Lanes: Einst das Zentrum der Fischerstadt Brighthelmstone verbirgt sich hier die Altstadt von Brighton mit kleinen Boutiquen, Vintage Shops und Cafés.
  • Musikhören im The Prince Albert: Brighton’s älteste Music Venue findet sich unweit des Bahnhofs. Draußen Biergarten, drinnen Bar und im Obergeschoss ein kleiner Konzertsaal, der an ein altes Theater erinnert. Auch unter der Woche gibt es hier Programm.

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